Illustration: Jochen Gasser, Brixen
Warum betroffene Kinder manchmal dazu tendieren, die Gewalt selbst zu verharmlosen, scheinbar zu ignorieren oder auch Gewalt gar nicht als solche zu erkennen und warum betroffene Kinder sich oft sogar selbst die Schuld für negative Verhaltensweisen der Bezugsperson/en zuzuschreiben
Warum betroffene Kinder nicht über ihre Gewalterfahrungen sprechen und nicht um Hilfe bitten
Welche Bedürfnisse haben Kinder, die Opfer von miterlebter Gewalt wurden?
Als erstes müssen Schutz und Sicherheit auch für die Mutter gewährleistet werden, emotional wie räumlich. Kinder brauchen Zeit, mehrere Monate, um Distanz zu der erlebten Gewalt zu gewinnen und um sich in der veränderten Situation zu orientieren.
Kinder „gewöhnen“ sich grundsätzlich nicht an Gewalt.
Wenn sie fortgesetzt Episoden direkter oder miterlebter Gewalt ausgesetzt sind, führt dies bei ihnen zu immer schwerer Schädigung.
Zeugen der Gewalt gegen die Mutter zu werden bedeutet nicht nur, einzelne Gewalthandlungen mitzuerleben.
Es bedeutet auch, das Geschlechterverhältnis als Herrschaftsverhältnis zwischen den Eltern zu erfahren, das bis zu einem hohen Grad der gesellschaftlichen Norm entspricht.
Wenn Frauen durch ihren Partner Gewalt erleiden, dann sind die Kinder immer auch mit betroffen.
Sei es, dass sie hilflose Zeugen der Gewaltsituation werden, sei es, dass die Mutter, physisch und psychisch geschwächt, ihnen nicht mehr die Zuwendung und Fürsorge geben kann, die sie bräuchten.
Deborah Müller und Philipp J. Pamer geben ihre Stimmen!
Was geschieht in der Psyche eines Kindes das Gewalt erfährt?
Ein Gedanke vorab: Wie fühlt sich ein erwachsener Mensch, wenn er schlecht behandelt – oder gar misshandelt wird? Er fühlt sich schlecht, unbehaglich, fühlt negative Emotionen verschiedenster Art. Er fühlt sich traurig, wütend, blockiert, verängstigt oder manchmal auch wie innerlich erstarrt.
Was geschieht, wenn das Kind in seiner Familie Gewalt erfährt?
Wenn das Kind eine Bezugsperson hat, von der es nicht spürbar geliebt wird, oder von der es keine Sicherheit bekommen kann, dann wird das Grundbedürfnis nach Zuneigung und nach Vertrauen – Eigenschaften, welche üblicherweise Bindungen dieser Art prägen – nicht gestillt werden. So kommt es, dass Kinder, die in einem negativen Ambiente aufwachsen, sich auch an eine gewalttätige Bezugsperson binden. Die größte Furcht eines Kindes nämlich ist der Verlust einer wichtigen Bezugsperson.
Thomas Hochkofler gibt seine Stimme!
Ob ein Jugendlicher später selbst selbstverletzendes oder aggressives Verhalten entwickelt, hängt sehr oft von dem familiären Umfeld ab, in dem ein Kind aufwächst.
Die Funktion von Emotionen
Bereits im frühesten Kleinkindalter stellt das Kind Beziehung her. Dann beginnt es nach und nach sich selbst zu differenzieren, sich selbst wahrzunehmen und es entwickelt seine Methode um sich auszudrücken. Damit entwickelt sich auch seine ihm eigene Art, Beziehung im Laufe der Zeit zu gestalten. Ab dem Moment, in dem das Kind in seiner Einzigartigkeit anerkannt und respektiert wird, lernt es, auch seinerseits zu lieben.
Kinder wollen oft in das Geschehen eingreifen, im Versuch die Mutter oder Geschwister zu schützen und erleben dann selber unmittelbar Gewalt.
Sie fühlen sich schuldig und machen sich Vorwürfe, der Mutter nicht zu helfen und suchen die Verantwortung für den Gewaltausbruch häufig bei sich selber, bei einem eigenen Fehlverhalten.
Warum Kinder, die Gewalt unter Familienmitgliedern erleben, häufig in verschiedensten Bereichen die Verantwortung zu übernehmen suchen
Wird ein Kind Situationen der Vernachlässigung oder gar der Misshandlung ausgesetzt, dann ist dies ein Auslöser für starken Stress im Körper des Kindes, was direkte Auswirkungen auf die Entwicklung von Körper und Geist haben kann.
Diese Abweichungen in der Entwicklung haben evolutionspsychologisch einen Sinn: sie sind Strategien der Anpassung um zu überleben. Langfristig gesehen jedoch lösen sie ernsthafte Schwierigkeiten im Kind aus.
Warum es für ein Kind keineswegs weniger schmerzhaft ist, Gewalt an anderen mit zu erleben, als Gewalt am eigenen Körper zu erfahren
Warum betroffene Kinder meist nicht als solche auffallen, sondern manchmal sogar besonders stark und sicher wirken
Was bedeutet miterlebte Gewalt?
Miterlebte Gewalt ist jene Form der psychischen Gewalt, bei der jemand Zeuge/Zeugin von Gewalthandlungen gegenüber einer nahestehenden Person wird. Im Fall der häuslichen Gewalt bezeichnet man als miterlebte Gewalt, wenn Kinder zu Zeugen von Gewalthandlungen an Familienmitgliedern werden.
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Meine Seele weint – Gewalt in der Familie – eine Tochter erzählt. Weiterlesen |